Eine Jahrhunderfreundschaft mit Folgen


Interview mit der Romanautorin Vera Forester über ihr Buch
"Lessing und Moses Mendelssohn"

Die in Düsseldorf lebende Autorin, Schauspielerin und Regisseurin Vera Forester hat ihren ersten Roman geschrieben. Das kürzlich erschienen Buch handelt von der folgenreichen Begegnung von Gotthold Ephraim Lessing und dem jüdischen Philosophen Mosel Mendelssohn. Mit der Jahrhundertfreundschaft der beiden Denker, die sich über kulturelle Differenzen hinweg entfaltete und bis heute als einer der ersten Dialoge der Aufklärung gilt, beschäftigt sich die Literatin seit über zehn Jahren. Entstanden ist ein moderner Aufklärungsroman. Historische Fakten, Brief- und Literatur-Zitate bilden ein stabiles Gerüst für szenische Ausmalungen, durch die sich wie ein roter Faden ein persönliches Plädoyer für einen toleranteren Umgang mit anderen Kulturen zieht.


Warum dieses historische Thema? Ist es aktuell?

„Vom ersten Augenblick an hatte ich das Gefühl, dass mit dieser Freundschaft zwischen Lessing und Mendelssohn etwas Exemplarisches geschehen ist, dass nicht nur vorgelebt wurde, wie zwei Kulturen friedlich miteinander auskommen können, sondern dass dies auch als politischer Akt festgehalten und niedergeschrieben wurde und so die zeitgenössische Philosophie und Literatur beeinflusste.“


Ist das Buch ein Aufklärungsroman?

"Ich glaube es sollte Toleranz, in einem neuen Licht darstellen. Toleranz ist ja bei der aktuellen Lage nicht mehr ein Luxus, den wir uns leisten, sondern eine bittere Notwendigkeit. Wir müssen miteinander auskommen, weil wir sonst miteinander untergehen. (...) Wenn heute über Juden gesprochen wird, dann heißt das immer, über den Holocaust zu sprechen. Da entwickeln gerade Jüngere einen Widerwillen gegen das Thema. Selten wird dargestellt, dass das Zusammenwirken von Juden und Deutschen etwas Schönes, etwas Befruchtendes sein kann. Indem die beiden mit einer großen Selbstverständlichkeit miteinander und mit dem Thema umgegangen sind, haben sie dafür einen Grundstein gelegt. Das ist alles leider im 20. Jahrhundert wieder untergegangen, wir zehren immer noch von diesem Schrecken. (...) Als ich in Weimar war, und das Denkmal von Goethe und Schiller sah, dachte ich, anstatt des Mahnmals, sollte man lieber ein Denkmal für Lessing und Mendelssohn in Berlin errichten. Hand in Hand, und sagen: So geht’s auch! „

Ist das Buch persönlich motiviert

„Ich bin selbst ein Lessing-Mendelssohn-Produkt. Meine Mutter ist Jüdin, mein Vater christlicher Schweizer. Mit meiner Mutter war das ganze Emigranten Schicksal verknüpft, aber gleichzeitig bin ich sicher in der Schweiz aufgewachsen. (Ich wollte nach dem Krieg als Schauspielerin nach Deutschland, als mein Mann der Schauspieler und Regisseur Wolfgang Forester ans Düsseldorfer Schauspielhaus ging, bin ich mit.) Ich lebe nun als Schweizerin in Deutschland und bin auch hier nicht zu Hause. Religiös kann ich mich auch nicht lokalisieren. Ich bin eben eine Wanderin zwischen den Kulturen. Wenn man das fruchtbar machen kann, dann glaube ich, ist das etwas sehr Zukunftsträchtiges.“


Wie geht’s weiter Frau Forester?

„Ich arbeite an einem Erzählband mit dem Arbeitstitel „Loreley Rapid“. Einmal im Monat fahre ich nach Basel zu meiner Mutter. Ich habe in den Zügen viele Gespräche geführt und ersonnen, bin den unterschiedlichsten Menschen begegnet. Das ist der Stoff, den ich ausgesponnen habe. Ein Band mit Geschichten über die Rheinstrecke wird’s, bei dem eine moderne Loreleyversion im Zentrum steht.“

Vera Forester: „Lessing und Moses Mendelssohn“, Europäische Verlagsanstalt, 38 Mark.



© Jutta Saum 2002

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