Die Kunst des Teilens


Ein Raum, zwei Konzepte: Arbeiten von Hüseyin Karakaya und Thomas Trinkl im Kulturbahnhof Eller

Früher hat Hüseyin Karakaya noch vorsichtig mit Papier und Cutter experimentiert, im Kulturbahnhof Eller schlitzt er nun fein säuberlich mit einer Steinsäge die Wände auf. „Ich war neugierig darauf, was sich hinter der weißen Wand verbirgt“, erzählt er. Gips, Holz und Ziegelwerk sind zum Vorschein gekommen, das Innere der Wand ist erbarmungslos offengelegt und lässt keinen Zweifel an der Materialität der Raumgrenze. Und genau diese hat Hüseyin Karakaya im Auge. Ihn interessieren nämlich die speziellen Proportionen der Raumarchitektur des eigenen Ausstellungsortes.
Wie eine Torte, die man in Stückte teilt, hat Hüseyin Karakaya die beiden Ausstellungsräume mittels imaginärer Schnitte segmentiert. Unendlich sind die Varianten der Verbindungen, die von einem Punkt im Raum zum anderen denkbar sind. Der große Unbekannte in der Rechnung ist der Besucher, der sich durch die Räume bewegt und sich zu ihnen in immer neue Beziehung setzt.
Mehrere Wochen hatte Hüseyin Karakaya Zeit, sich mit dem Ausstellungsort vertraut zu machen, denn gemeinsam mit Thomas Trinkl, der ebenfalls bei Nikkels und Rabinowitch an der Düsseldorfer Kunstakademiede studiert, ist er vom Kulturbahnhof Eller eingeladen worden, die lichten Räume als Gastatelier zu nutzen. Über den Sommer sind vor Ort zwei ganz unterschiedliche raumbezogenen Arbeiten entstanden, die nun bis zum 16. September (Di -So 15 - 19 h) zu sehen sind.

Hat man es bei dem einen mit einer Analyse gegebener Räumlichkeiten zu tun, so durchkreuzen die am Boden liegenden Sechskantstahle von Thomas Trinkl die übersichtliche Ordnung und schießen einfach quer. Zwar führen sie die dreiteilige Struktur der über ihnen schwebenden Dachbalken weiter, aber die Linie ist unentschieden, immer wieder unterbrochen, will sich nicht widerstandslos formieren. Das Fragmentarische hat Methode: Durch ein kompliziertes Teilungsverfahren, das sich aus der Kombination der sechs Oberflächen der Stäbe und einer strengen Schnittmethodik ergibt, erhält man eine bestimmte Anzahl von Stahlstrangfragmenten, die sich nicht beliebig aneinanderreihen lassen, allerdings aber in ihrer Codierung ein komplexes System darstellen. „Die menschliche DNA oder die digitale Codierung funktionieren vergleichbar“, erklärt Thomas Trinkl sein plastisches Puzzlespiel. Nur bestimmte Kombinationen sind möglich, die dann auch sinnvolle Informationen transportieren. Auch wenn theoretisch das Versprechen eben dieser codierten Informationsübermittlung besteht, so löst Thomas Trinkl es nicht ein. Er setzt auf das Fragmentarische, auf die Lücken im System - und stellt damit der objektiven Bestandsaufnahme die subjektive Betrachtung des eigenen Ausstellungsraumes entgegen.

© Jutta Saum 2001

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